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Ein bisschen mehr Aufrichtigkeit bitte!

Offenbar unterzieht sich Economiesuisse einer kommunikativen Frischzellenkur. Man gehe über die Bücher und überlege sich seine Haltung, denn man orte ein Imageproblem. So verlautete gestern seitens des Wirtschaftsverbands. Dieser tut gut daran, sich zu überlegen, wie man sich verkaufen will. Aber leider nicht nur er.

Herrn und Frau Schweizer wird gemeinhin nachgesagt, sie interessierten sich nicht wirklich für Politik und Wirtschaft. Das wird jeweils wieder zum Thema, wenn bei politischen Abstimmungen die Beteiligung sehr tief ist. Dann hört man Argumente von «die Thematik ist halt inzwischen viel zu komplex geworden, als dass sich die breite Masse dafür noch interessiert» bis «die Schweiz lebt gut und es gibt kein Problem, dass die Menschen in ihrer Existenz bedrohen würde». Das eine wie das andere mag stimmen. Doch vielleicht ist es reine Resignation, welche die Schweizer – und vermutlich ganz viele andere Menschen auf der Welt – den Urnen und dem Dialog fernbleiben lässt.

Sie weiss nicht, wem sie glauben darf. Und um blind jemandem zu folgen, dafür ist die Bevölkerung inzwischen zu emanzipiert, informiert sich zu breit und zu differenziert bzw. lässt sich von vielen berieseln. Jede und jeder, der ein politisches oder wirtschaftliches Interesse verfolgt, redet auf seine eigene Mühle, ist sozusagen argumentarischer Opportunist. Und vor allem Economiesuisse schadet sich dabei derzeit. Nach dem Ja zur Abzocker-Initiative drohte Präsident Rudolf Wehrli damit, dass etliche Firmen mit Schweizer Domizil demnächst wegziehen werden. Journalisten haben sich die Mühe gemacht, sich an der Basis zu erkundigen. Da weiss man von nichts und findet, Boni & Co. seien nur ein kleines Stückchen im Glück des Schweizer Domizils. Insbesondere zwei der grössten Schweizer Unternehmen, Nestlé und Roche, bekräftigten hierzulande bleiben zu wollen. Als Herr Wehrli aufgefordert wurde, konkrete Beispiele zu nennen, schwieg er sich beharrlich aus.

Diese Drohgebärden sind es, vom Verfälschen bis hin zum Erfinden von Argumenten, die eine Verdrossenheit auslösen. Bis zur Episode des Swissair-Groundings, in welche sich Freisinn und Wirtschaft bis zur Bewegungslosigkeit verstrickten, vertraute man auf Aussagen von politischen und wirtschaftlichen Exponenten – jedenfalls in einigermassen relevantem Rahmen.

Auch wenn man sich nicht immer in einer Krise befindet und entsprechende Kommunikationsprozedere bemühen muss (obwohl Economiesuisse sich und die Schweiz jetzt wohl in einer Krise sieht), stünde Personen, die sich öffentlich äussern, eine Grundregel gut an: Offen, aufrichtig und ehrlich kommunizieren. Wenn der Inhalt auf diesem Weg nicht überzeugen kann, ist am Argument schlicht nichts dran. Sieht man das nicht ein und beginnt zu dramatisieren, geht der Schuss nach hinten los. Denn, wie bereits erwähnt, die Bevölkerung – und zu der zählen auch die Medienschaffenden – ist zu emanzipiert und zu kritisch geworden und hakt nach.

Man tritt nicht auf jemanden ein, der schon am Boden liegt und eigentlich läge mir nichts ferner als Wirtschaftsschelte zu betreiben. Economiesuisse ist «nur» das aktuellste, sehr anschauliche Beispiel. Und doch darf man feststellen, dass der Verband in der Wahrnehmung seiner Dialoggruppen wohl noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist. Die Abzocker-Initiative und der (in der ganzen Debatte komplett untergegangene) Gegenvorschlag sind Beweis genug: Hätte der Wirtschaftsverband in seinem Tun das nötige Sensorium an den Tag gelegt, hätte es diese Vorlagen gar nicht erst gebraucht und alle wären noch zufrieden. – Aber genug der Wirtschaftsverbands-Schelte.

Würde aufrichtiger, direkter und ehrlicher kommuniziert (und das betrifft nicht nur Wirtschaft und Rechtsaussenparteien), würde die Bevölkerung wieder hinhören. Und mit dem Hinhören käme auch der Glaube an das Gehörte zurück. Oder, um den in diesem Zusammenhang abgedroschenen Faust zu zitieren, der die Stimmung auf den Punkt bringt: «Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.»

A propos Glaube: Das Gegenstück ist der neue Papst. Er tritt mit einer dermassen entwaffnenden Ehrlichkeit auf, dass er selbst von den kritischsten Zeitgenossen und überzeugten Anti-Katholiken gefeiert wird. Da ändert auch seine undurchsichtige, aber zweifelhafte Rolle während der Militärjunta keine Rolle.

Das Rezept lautet: Glaube an das, was Du erzählst. Dann glauben dir die anderen. – Amen!

Bild: Pixabay/kherrmann

 

Authentizität, Kommunikation

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